Sollte dem Welt-Boulevard nix wildes dazwischenkommen (wild wäre: Paris Hilton begeht Selbstmord oder Madonna adoptiert Zwillinge), dann wird er sich bis kommenden Freitag auf die Gerichts-Verhandlung gegen Josef F. konzentrieren. Nachdem der Prozess auf kompakte fünf Tage angesetzt ist, lässt sich das medial auch gut verbraten. Den Spannungsbogen hält die schwindligste Provinz-Zeitungs-Redaktion durch. Kann man also keinem Medium verübeln, sich da draufzusetzen. Der Fall ist interessant. Es gibt viel zu erzählen und viel zum drüber Nachdenken.
Schon ein bisschen übel wird mir allerdings beim Wording. Wieso ein Prozess, in dem einen Angeklagten die Delikte Mord, Sklavenhandel, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung und Blutschande vorgeworfen werden, seine Reise um die Mediewelt unter dem Titel “Inzest-Prozess” antreten muss ist mit nicht ganz einleuchtend. Die “Blutschande” ist nicht nur der strafrechtlich unrelevanteste Teil der Anklage, weil mit einem relativ geringen Strafmaß bedroht. Es ist auch “menschlich” – bitte jetzt nicht falsch verstehen, aber doch – irgendwie schon wurscht, ob Josef F. und Elisabeth F. jetzt biologisch verwandt waren oder nicht. Und Inzest ist NICHT der ganz spezielle Aspekt dieses Falles. Inzest ist, wenn man so will, ein sehr verbreitetes Delikt. Ein großer Teil aller Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern spielt sich bekanntlich innerfamiliär ab.
Aber der Fall und seine mediale Aufbereitung schreien nach Sexualisierung. Und da bietet sich der Titel offensichtlich an. Kein Mordfall, kein Fall von Freiheitsberaubung, keine schwere Körperverletzung, keine multiple Vergewaltigung. Ein Inzest-Fall soll hier verhandelt werden. Das ist kein gutes Verzeichen für die Feuerprobe für die Moral der Medien, deren internationalen Vertreter sich – so verraten mir eben auf verschlungenen Pfaden an meine Ohren gelangte Facebook-Status-Zeilen – zur Stunde in Sankt Pöltner Hotelbars kollektiv betrinken. Na spitze…
alle achtung! guter medienkommentar.